Event-Rückblick: «Wie gelingt es uns, das Leid der ‹unsichtbaren Tiere› sichtbar zu machen?»
Am 18. Juni gingen Philosophieprofessor Markus Wild und Tieranwältin Vanessa Gerritsen der Frage nach, wie das Leid von Tauben, Ratten, Bienen und Fischen für uns sichtbar gemacht werden kann. Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt unserer Veranstaltung im Rahmen unserer aktuellen Kampagne «Unsichtbare Tiere».
In unserer Gesellschaft sind Tauben, Ratten, Bienen und Fische täglich immensem Leid ausgesetzt. Dies, obschon sie mitten unter uns leben. Wie können wir ihr Leid sichtbar machen und ihre Lebensumstände verbessern? Das Ziel dieser Veranstaltung war, das Bewusstsein für diese Tiere und ihr Leid zu schärfen sowie dem Publikum Strategien zur Leidverminderung näher zu bringen.
Schauen Sie sich jetzt das Video zur Veranstaltung an:
Im ersten Teil der Veranstaltung betonte Philosophieprofessor Markus Wild die Wichtigkeit von vollständigen Informationen und Aufklärung, um Vorurteile gegenüber Tauben und Ratten abzubauen. Er erklärte, dass nur durch fundiertes Wissen und Verständnis die vorherrschenden Vorurteile und Geschichten, die wir über diese Tiere haben, überwunden werden können. Dies wirft die wichtige Frage auf: Warum behandeln wir Ratten anders als andere Wildtiere?
Ratten werden oft viel brutaler behandelt als andere Wildtiere. Statt jedoch eine Strategie zur Vernichtung dieser Tiere zu verfolgen, sollte der Fokus auf einer Planung des Zusammenlebens liegen. In städtischen Gebieten gedeihen Ratten und Füchse, weil das Nahrungsangebot reichlich und leicht zugänglich ist. Für sie sind unsere Städte wie ein 5-Sterne-Restaurant und unser Umgang mit Lebensmitteln lädt sie geradezu ein.
Vanessa Gerritsen ergänzte, dass es für die Umsetzung einer fairen Behandlung von Ratten an finanziellen Mitteln fehle. Zudem mangelt es am politischen Willen, dieses Thema voranzutreiben. Die schweizerische Tierschutzgesetzgebung stützt sich zwar auf Daten und Forschung, jedoch sind diese oft unzureichend, da es wenig finanzielle Investitionen in die Erforschung dieser Tiere gibt. Das liegt vor allem daran, dass diese Tiere keinen direkten Nutzen für uns haben.
Im zweiten Teil stand die Debatte um die Empfindungsfähigkeit von Fischen und Bienen im Zentrum. Eine Studie aus dem Jahr 2003 konnte nachweisen, dass Fische Nervenzellen im Gesicht haben, die Reize wahrnehmen können. Diese Erkenntnis führte dazu, dass eine Universität einen Aufruf startete, das Angeln zu verbieten. Der Versuch, die Gesetzgebung zu ändern, ermöglichte einen grossen Fortschritt in der Forschung. Heute gibt es 7 – 12 Indikatoren, die darauf hinweisen, dass Fische Schmerzen empfinden können.
Obwohl das Tierschutzgesetz bereits vorschreibt, dass die Würde des Tieres zu achten ist, gelten diese Bestimmungen für Fische kaum. Es gibt lediglich Vorschriften für Forellen und karpfenartige Fische, die sich hauptsächlich auf die Wasserqualität fokussieren. Zwar wird auch gefordert, auf ihre artspezifischen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, dies wird in der Praxis jedoch oft ignoriert. «Fische werden ganz klar ungleich behandelt, obwohl sie gemäss Tierschutzgesetzgebung auf der gleichen Stufe sind wie die anderen Tiere», betont Gerritsen. Tier im Recht hat schon mehrfach Strafanzeigen in den Bereichen Fischerei und Fischzucht getätigt, diese werden allerdings in der Regel eingestellt.
Forschung ist entscheidend, um die Gesetzgebung im Tierschutz zu ändern. Gleichzeitig ist es wichtig, das Bewusstsein und die Aufklärung der Bevölkerung zu verbessern. Nur durch ein besseres Verständnis für das Empfindungsvermögen und die Bedürfnisse der Tiere, können wir langfristig eine gerechtere Behandlung sicherstellen.
Aus diesem Grund hat Sentience im Frühjahr die Kampagne «Unsichtbare Tiere» lanciert. Diese hat zum Ziel, das Leiden der Tauben, Ratten, Bienen und Fischen in der Gesellschaft sichtbar zu machen und durch Petitionen auf politischer Ebene einen Schritt weiter zu gehen.
Haben Sie diese schon unterschrieben?
Alles beginnt mit Ihrer Unterschrift. Viele Unterschriften helfen uns, unsere Forderungen aufs politische Parkett zu bringen. Befreundete Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden unsere Petitionen ins Parlament tragen und so versuchen, einen echten Wandel herbeizuführen. In der Praxis würde das bedeuten: weniger Pestizide für Bienen, weniger Rodentizide für Ratten, verbesserte Populationskontrolle für Tauben und verbesserte Lebensbedingungen für Fische in Aquakulturen.