13. September – 1. Oktober 2021

Rückblick Herbstsession 2021

Bundesrat: Werbung für Billig-Fleisch? Kein Problem!
In der Herbstsession 2021 wurde viel über Ernährung diskutiert. Dabei ging es um eine Deklarationspflicht der Herkunft von Lebensmitteln, die Frage, ob man Steaks noch essen darf, ein potentielles Werbeverbot von Dumping-Fleisch und vieles mehr. Wir geben einen Überblick.

Behandelte Vorstösse

Deutschland plant momentan ein Werbeverbot für Billigfleisch. Dies wäre auch in der Schweiz von grosser Wichtigkeit, vor allem für die 80 Millionen betroffenen Tiere, die hierzulande jährlich geschlachtet werden und deren Wert im Verkaufspreis bei Weitem nicht reflektiert wird. Die starken Preisabschläge bei Aktionen sind oft reine «Frequenzbringer», wie dies auch vom Bundesamt für Landwirtschaft kürzlich beanstandet wurde. In der Fragestunde hat SP-Nationalrätin Martina Munz deshalb beim Bundesrat nachgefragt, ob er bereit wäre, im Rahmen der nachhaltigen Ernährungspolitik auch in der Schweiz die Dumping-Fleischwerbung zu verbieten oder mindestens einzuschränken.

Der Bundesrat lehnte jedoch ab und verwies auf die gesetzliche Grundlage für die Werbung von Schweizer Fleisch (LwG Art. 12). Weitere gesetzliche Regelung stellt er bedauerlicherweise nicht in Aussicht. Das ist nicht nur enttäuschend, es ist auch inkonsequent – denn dadurch handelt der Bundesrat entgegen seiner eigenen Zielsetzungen zur nachhaltigen Ernährung im Rahmen der Agenda 2030. Wir finden: Wer sich hohe Ziele steckt, muss auch entsprechend handeln!

Der Bundesrat wird mit dieser Motion beauftragt, die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung anzupassen, um Lebensmittel, die im Ausland hergestellt oder zubereitet wurden, mit der eindeutigen Deklaration des Herkunftslandes zu kennzeichnen. Trotz der bundesrätlichen Empfehlung des Bundesrats zur Ablehnung hat der Nationalrat die Motion angenommen. Als nächstes entscheidet der Ständerat. Auch bei tierischen Produkten, vor allem in verarbeiteter Form, fehlen oft die Angaben zum Herkunftsland. Der Ursprung wird verschleiert. Eine Deklarationspflicht der Herkunftsländer wird von Sentience Politics deshalb generell befürwortet.

Nach der Annahme durch den Nationalrates letztes Jahr wurde eine Motion der ehemaligen SP-Nationalrätin Bea Heim nun leider vom Ständerat abgelehnt und ist somit vom Tisch. Das ist enttäuschend!

Denn internationale Vergleiche aus dem Jahr 2015 zeigen auf: Schweizer Milchkühen wird deutlich mehr Antibiotika gespritzt als dies in anderen europäischen Ländern geschieht. Trotz Massnahmen des Bundes und der von Agroscope bestätigten Tatsache, dass Tiere in Tierwohl-betonter Haltung und unter Antibiotika-Verzicht gesünder sind, sank dieser Wert in den letzten Jahren nur minim. Das Problem sind Fehlanreize in der Tierhaltung – kurz: Es lohnt sich finanziell mehr, Antibiotika einzusetzen anstatt darauf zu verzichten. Dadurch bilden sich Antibiotika-resistente Keime in unserer Nahrungskette: eine enorme Bedrohung für Mensch, Tier und Umwelt.

Diesen Vorstoss haben wir bereits einmal prominent in einem Newsletter vorgestellt: das Postulat von Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit. Er beauftragte den Bundesrat, einen Bericht über die Auswirkungen eines Fleischverzichts auf die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung zu erstellen. Der Bundesrat hielt in seiner Antwort daraufhin fest, dass sowohl eine vegetarische Ernährung wie auch ein massvoller Fleischkonsum gesund sein können. Ein übermässiger Konsum von rotem Fleisch und besonders von verarbeiteten Fleischprodukten hingegen kann zu gesundheitlich negativen Folgen führen (z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, bestimmte Formen von Krebs sowie Diabetes Typ 2). Bei einer veganen Ernährung sollte auf eine ausreichende Versorgung des Vitamins B12 geachtet werden. Infolge dieser Erläuterung wurde das Postulat von Roduit zurückgezogen.

Neue Vorstösse

Die Interpellation von Meret Schneider möchte der Tierquälerei an Eseln entgegenwirken. In Afrika und Südamerika werden im grossen Stil und unter grausamen Bedingungen Esel gesammelt, geschlachtet und ihre Eselhäute nach Vietnam, Hongkong und vor allem nach China verschifft. Der Grund für den derzeitigen Boom ist die explodierende Nachfrage in China nach «Ejiao» – eine Gelatine, die gegen Anämie helfen und die «Manneskraft» beleben soll. Auch in Europa und der Schweiz können solche Produkte leicht bezogen werden. Da infolge nun in Ländern wie Kenya, Botswana und Ghana die Eselpopulationen auszusterben drohen, haben inzwischen 18 Staaten weltweit den Export von Eselprodukten verboten. Der Bundesrat wird beauftragt, abzuklären, wie es um den Import und mögliche Einschränkungen dieser Produkten steht.

Mit dieser Interpellation beauftragt Martina Munz den Bundesrat, eine gesetzliche Grundlage für die Förderung dezentraler Schlachtkapazitäten zu schaffen und entsprechende Massnahmen zu treffen. Durch die rückläufige Anzahl Schlachtbetriebe müssen die Tiere immer weitere Transportwege mitmachen. Schlachttiere aus dem Berggebiet, insbesondere auch Tiere aus Tierwohlprogrammen, müssen heute in Zwischenstationen aufwändig zusammengeführt und danach über lange Transportwege bis ins Mittelland oder nach Basel transportiert werden. Diese langen Transportwege bedeuten viel Stress für die Tiere. Aus diesem Grund ist eine Rechtsgrundlage zu schaffen, welche die Unterstützung von regionalen Schlachtkapazitäten ermöglicht. Ein kleiner Schritt – aber die Richtung stimmt.

Mit dieser Motion wird der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, wie in den Betrieben der öffentlichen Verpflegung der Anteil regionaler und pflanzlicher Lebensmittel erhöht werden kann und inwiefern grosskalibriges Gemüse, das im Detailhandel keinen Absatz findet, in der öffentlichen Verpflegung eingesetzt werden kann. Damit soll das vom Bund selbst gesetzte Ziel einer möglichst regionalen, saisonalen Ernährung und einer Reduktion des Fleischkonsums auf einen Drittel des Status quo im Rahmen der Ernährungsstrategie erreicht werden. Da die öffentlichen Verpflegungsstätten von Bundesgeldern finanziert werden, würden für die Betriebe keine Mehrkosten oder Zusatzaufwendungen entstehen. Sentience Politics ist überzeugt, dass mehr Regionalität und Fleischverzicht einen grossen Mehrwert mit sich bringen – für Konsument:innen, Tiere und Umwelt!

  • Keine Butterimporte ohne kostendeckenden Milchpreis! – Meret Schneider, Grüne (Zum Vorstoss)
  • One-Health-Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen – Maya Graf, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Tierische Schlachtnebenprodukte verfüttern – Martina Munz, SP (Zum Vorstoss)
  • Wertschöpfung und Planungssicherheit für Milchbauern – Meret Schneider, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Keine zusätzlichen Anreize für Milchimporte! – Meret Schneider, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Transformation zu einem Nachhaltigen Ernährungssystem dank konservierender Landwirtschaft – Christine Badertscher, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Sachkundenachweis für Pferdehalter – Meret Schneider, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Keine tierquälerischen Hilfsmittel im Pferdesport! – Meret Schneider, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Wie viele Jäger töten auf der roten Liste stehende Arten? – Isabelle Chevalley, Grünliberale Partei (Zum Vorstoss)
  • Agroscope streicht die Bedeutung der Förderung von Honig- und Wildbienen in der Agrarlandschaft hervor – was tut der Bundesrat? – Maya Graf, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Zukunftsgerichtetes Wolfsmanagement – Für ein miteinander von Grossraubtier, Alpnutzung, Siedlung und Tourismus – Nicolo Paganini, Die Mitte (Zum Vorstoss)

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