28. Februar – 18. März 2022

Rückblick Frühjahrssession 2022

National- und Ständerat verweigern sich der Tierwürde!
In der Frühjahrssession 2022 kam es im National- und Ständerat zur Schlussabstimmung über die Initiative gegen Massentierhaltung. Das Parlament lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab und stellt Partikularinteressen über die Tierwürde und die Gesundheit von Tier und Mensch. Nebst dieser skandalösen Entscheidung brachte die Session aber auch einige erfreuliche Highlights: So hat der Nationalrat die Motion Haab angenommen, die den Import von Stopfleber verbieten will. Ausserdem beauftragte Meret Schneider, Nationalrätin Grüne, den Bundesrat in einer Motion, belastende Versuche an nicht-menschlichen Primaten zu verbieten – eine direkte Reaktion auf unsere Primaten-Initiative in Basel-Stadt. Im Folgenden findest du unseren Überblick zur letzten Session.

Behandelte Geschäfte

Nachdem der Nationalrat bereits im Dezember jegliche Verbesserungen beim Tierwohl blockierte, hat nun auch der Ständerat sowohl die Initiative als auch den Gegenentwurf zur Ablehnung empfohlen. Diese skandalöse Verweigerungshaltung zeigt einmal mehr, wie gross das politische Gewicht der Fleisch- und Milchlobby im Parlament ist.

Wir vertreten die Auffassung, dass gleiche Interessen gleich zu berücksichtigen sind. Menschen und nicht-menschliche Tiere haben ein wichtiges gemeinsames Interesse: Beide wollen kein Leid erfahren und haben ein Bedürfnis nach physischer und psychischer Integrität. Das geltende Tierschutzgesetz wird diesen Erkenntnissen in keiner Weise gerecht.

Nun liegt es an der Stimmbevölkerung, diesen Herbst ein starkes Zeichen gegen das unermessliche Tierleid in der Massentierhaltung zu setzen.

Mit grosser Mehrheit nahm der Nationalrat die Motion Haab an, die den Import von Stopfleber verbieten will. Die Herstellung von Stopfleber ist für die Gänse mit enormem Leid verbunden und in der Schweiz seit über 40 Jahren verboten. Die Gänse werden mehrmals täglich mit einem in den Hals eingeführten Metallrohr zwangsgefüttert, bis ihre Leber eine überdimensionale Grösse erreicht hat. Ein Importverbot für Stopfleber ist ein klares Signal gegen diese grausamen Praktiken. Wir hoffen, dass der Ständerat bei seiner Beratung in der Sommersession dieser richtungsweisenden Entscheidung folgen wird. 

Diese Motion wurde letzten September vom Nationalrat und nun in der Frühjahrssession vom Ständerat angenommen. Sie will den Konsument:innen den Zugang zu Informationen über das Herkunftsland von verarbeiteten oder zubereiteten Lebensmitteln gewährleisten. Mehr Transparenz ist wichtig, damit die Konsument:innen informierte Entscheidungen treffen können. Informiertheit allein reicht jedoch nicht aus, um eine Veränderung des Konsumverhaltens herbeizuführen. Es braucht strukturelle Veränderungen, die wir mit der Initiative gegen Massentierhaltung anstossen wollen.

Mit ihrer Interpellation hat Meret Schneider, Nationalrätin Grüne, den Bundesrat zu verschiedenen Punkten bezüglich des Wohlergehens von Pferden bei internationalen Wettkämpfen befragt. Es geht insbesondere um die Einhaltung des Tierschutzgesetzes. Der Bundesrat wies auf die verschiedenen Vorschriften und Mechanismen rund um diese Art von Wettkämpfen hin, die das Wohlergehen der Pferde gewährleisten sollen. Für uns ist allerdings klar: Nicht-menschliche Tiere haben bei Sport-Wettkämpfen nichts zu suchen! Abgesehen vom Stress, der durch die Transporte – oft über 8 Stunden – und den Leistungsdruck entsteht, entsprechen diese Wettkämpfe in keiner Weise dem natürlichen Verhalten von Pferden.

Regula Rytz, Nationalrätin Grüne, hat sich in der Fragestunde erkundigt, warum bei der Absatzförderung von Schweizer Fleischprodukten der «negative Nutzen» bezüglich Biodiversität, Gesundheit und Klima nicht vermittelt wird. Der Bundesrat antwortete daraufhin, dass er die Werbemassnahmen für Schweizer Fleisch befürworte. Die Standards in Bezug auf Tierschutz, Ökologie und Lebensmittelsicherheit seien in der Schweiz sehr hoch und es sei wichtig, dass die Konsument:innen dies erkennen. Eine «negative Kommunikation» wäre paradox und würde bestenfalls zu einer Verlagerung von unerwünschten Umwelteffekten ins Ausland führen. Für Sentience ist diese Antwort des Bundesrates schockierend, weil sie sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die schädliche Wirkung von Fleisch auf unsere Umwelt widerspricht. Die Ausrede, dass eine Verlagerung ins Ausland stattfinden würde, ist aus unserer Sicht nicht zulässig, da mit einer solchen Argumentation auch bestehende, vergleichsweise hohe Standards nicht legitimiert werden könnten. Regula Rytz’ Nachfrage war wichtig und zeigt auf, dass es für uns noch viel zu tun gibt!

Vertagt

Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, die Kantone zu verpflichten, das Personal der Veterinärbehörden zur Überwachung der Betäubung und des Entblutens in den Schlachthöfen aufzustocken. Angesichts des unermesslichen Leids, das eine unzureichende Betäubung oder Entblutung bei nichtmenschlichen Tieren verursachen kann, ist es inakzeptabel, dass die Überwachungsarbeit der Veterinärbehörden auf der Selbstkontrolle in Schlachthöfen beruht, zumal es sich hierbei um sehr heikle Prozesse aus Sicht des Tierschutzes handelt. Die Kontrollen sollten unabhängig durchgeführt werden, um dem sensiblen Charakter der Betäubung und des Entblutens von Tieren gerecht zu werden.

Neue Geschäfte

Mit dieser Motion fordert Meret Schneider den Bundesrat auf, die Verwendung des Hormons eCG in der Schweinezucht zu verbieten. In seiner natürlichen Form stammt es von trächtigen Stuten, denen in sogenannten «Blutfarmen» eine grosse Menge Blut abgenommen wird. Diese grausame Methode wird angewandt, um die Reproduktionsrate der Sauen zu erhöhen und fügt den Stuten grosses Leid zu. Das Hormon wird auch in synthetischer Form eingesetzt. Diese ist problematisch, da der Körper der Schweine nicht für die Zufuhr von Hormonen in so grossen Mengen geeignet ist (Fehlgeburten, zu viele Schweine im Verhältnis zur Anzahl der Zitzen usw.).

Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, die in der Schweiz geltenden Ernährungsempfehlungen umzusetzen. Er soll in der Gemeinschaftsgastronomie, insbesondere von Unternehmen des öffentlichen Sektors, einen massvollen Fleischkonsum und tierfreundliche Produktionsmethoden fördern. Ausserdem will die Motion, dass Massnahmen zur Förderung des Fleischverkaufs systematisch reduziert und auf Produkte aus Tierschutzprogrammen beschränkt werden.

Diese Motion hat zum Ziel, die Kompetenz der kantonalen Kommissionen für Tierversuche in Bezug auf 3R (Refine, Reduce, Replace) zu stärken. Auch die Vertretung von Expert:innen mit nachgewiesener 3R-Erfahrung soll angemessen berücksichtigt werden. Die 3R-Expertise soll zusätzlich und unabhängig von der Vertretung von Tierschutzinteressen eingebracht werden. Als Expert:innen mit nachgewiesener 3R-Erfahrung sollen insbesondere Forscher:innen berücksichtigt werden, die alternative Methoden entwickeln (z.B. in-vitro, mikrophysiologische Systeme, Mikrofluidik-Chip-Systeme, Tissue Engineering) oder als Gutachter:innen von wissenschaftlichen Artikeln zu 3R-Methoden in Fachzeitschriften tätig sind.

Der Bundesrat wird durch diese Motion beauftragt, belastende Versuche an nichtmenschlichen Primaten zu verbieten. Dazu soll der Artikel 20 des Tierschutzgesetzes mit einem neuen Absatz 2 wie folgt ergänzt werden: Belastende Versuche der Schweregrad 2 und 3 an Primaten sind verboten. Genau wie wir sind auch unsere Artgenossen in der Lage, Leiden, Schmerzen und Angst zu empfinden. In den Versuchen kommt es neben den körperlichen Symptomen und Belastungen regelmässig auch zu Verletzungen ihrer Integrität und Würde. Für Sentience ist klar, dass sich das Verhältnis von menschlichen Tieren zu nichtmenschlichen Tieren ändern muss. Ein solches Verbot wäre ein grundlegender Schritt dazu.

Mit diesen beiden Motionen fordert Meret Schneider den Bundesrat auf, Massnahmen einzuführen, die einerseits eine bessere Kontrolle und andererseits eine Reduzierung der Reserveantibiotika gewährleisten. Im ersten Fall sollen Daten über ihre Anwendungskategorie und die Anzahl der nichtmenschlichen Tiere erhoben werden und im zweiten Fall soll der Einsatz von Antibiotika durch eine Änderung der Lebensbedingungen der Individuen in der Tierhaltung reduziert werden.

  • Hochgezüchtete Eier- und Geflügelfleischzüchtung in Richtung Tierwohl weiterentwickeln – Martina Munz, SP (Zum Vorstoss)

  • Massnahmen zur Eindämmung des illegalen Hundeimportes und des damit verbundenen Tierleids Katja Christ, glp (Zum Vorstoss)

  • Abwendung der drohenden Nahrungsmittelkrise aufgrund der Lage in der Ukraine durch ein Paket dringender und konkreter vorläufiger Maßnahmen, um die Nahrungsmittelproduktion zu sichern und zu stärken – Jacques Nicolet, SVP (Zum Vorstoss)
  • Sich selbst versorgen. Dringende Neuausrichtung des Anbaus – Pierre-André Page, Grüne (Zum Vorstoss)
  • Selbstversorgungsgrad stärken mit mehr einheimischen pflanzlichen Produkten – Kilian Baumann, Grüne (Zum Vorstoss)

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