Eine A4-Seite Platz zum Leben
Mit der «RRRevolution!» wollen wir die Schweizer Landwirtschaft umkrempeln und den Weg hin zu einem tierfreundlichen Ernährungssystem aufzeigen, das auf die Produktion pflanzlicher Proteine ausgerichtet ist. Diese Transformation ist dringend notwendig, denn die Tierwürde wird in der Schweizer Landwirtschaft systematisch missachtet.
Die meisten sogenannten «Nutztiere» leben in Verhältnissen, die wir bei anderen Tieren als komplett inakzeptabel empfänden. Der Aufschrei wäre gross, würden wir Hunde auf engstem Raum und ohne Auslauf zusammenpferchen und noch im Kindesalter schlachten. Genau das passiert jedoch in der industriellen Tierproduktion. Ein Schweizer Masthuhn hat gerade einmal eine A4-Seite Platz zum Leben. Zehn Schweine teilen sich die Fläche eines Parkplatzes. Tiere leben oft zu tausenden in kahlen Ställen ohne Beschäftigungsmöglichkeiten. Gerade einmal 13 Prozent aller Tiere spüren jemals die Sonne auf ihrem Körper.
Auch wenn das Parlament die von uns lancierte Initiative gegen Massentierhaltung abgelehnt hat, so ist sich die Politik des Handlungsbedarfs durchaus bewusst. So heisst es in der Botschaft des Bundesrats zum Gegenentwurf der Initiative: «Das geltende Recht hält unmissverständlich fest, dass niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten darf. […] Der Bundesrat [ist] damit einverstanden, dass die in der Verfassung verankerten Grundsätze der in diesem Bereich angestrebten Entwicklung nicht mehr genügend Rechnung tragen.»
Unsere Initiative hätte das Leben der über 80 Millionen jährlich in der Schweiz geschlachteten Tiere massiv verbessert. Doch statt das Potential einer tierfreundlichen und zukunftsfähigen Landwirtschaft zu erkennen, haben Politik und Industrie selbst den verwässerten Kompromiss des Bundesrats mit allen Mitteln bekämpft. Damit nehmen unsere gewählten Volksvertreter:innen mutwillig in Kauf, dass die Tierwürde in der Landwirtschaft weiter mit Füssen getreten wird. Wir finden: Jetzt reicht es! Deshalb fordern wir die «RRRevolution!» – die Einführung des 3R-Prinzips in der Schweizer Landwirtschaft.
«Refine»: Das heutige System am Beispiel Huhn
In der industriellen Tierproduktion werden die Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Hühnern systematisch missachtet. Ihr Tastorgan, der Schnabel, wird touchiert – ein für das Tier schmerzhaftes Verfahren, bei dem mittels Hitze der Oberschnabel gekürzt wird. Diese Massnahme wird ergriffen, weil es in zu grossen Gruppen häufig zu Federpicken unter den Hühnern kommt. Das kann sich bis hin zum Kannibalismus steigern. Solche Verhaltensstörungen werden durch eine Haltung begünstigt, die den Bedürfnissen der Tiere fundamental widerspricht. Folglich sollten nicht Schnäbel touchiert, sondern Haltungsbedingungen verbessert werden.
Wichtig ist vor allem, dass Hühner sich ausreichend beschäftigen und bewegen können. Dazu benötigen sie einen interessanten Untergrund zum Picken und ein grosses Gebiet mit möglichst wenig Tieren, um sich frei bewegen zu können. Beides wird durch das geltende Tierschutzgesetz nicht hinreichend gewährleistet. Einem Huhn steht in der Regel nur etwa eine A4-Seite begehbare Fläche im Stall zur Verfügung. Zudem müssen nur 20 Prozent des Stalles eingestreut werden. Hühner haben in grossen Betrieben also nicht nur wenig Fläche zum Picken zur Verfügung, sondern müssen sich auch mit einem zum Picken schlicht ungeeigneten Untergrund zufriedengeben.
Bei weiteren Bedürfnissen von Hühnern ist es offensichtlich, dass sie diese in industriellen Anlagen nicht ausleben können. Sonnenbäder sind mangels Sonneneinstrahlung im Stall nicht möglich; um zu fliegen, ist der Stall zu niedrig; ein echtes Sozialleben, inklusive Rangordnung, ist in Herdengrössen von bis zu 27’000 Tieren undenkbar. Die männlichen Küken werden bei Legehuhnrassen noch am Tag ihrer Geburt vergast und Masthühner kommen nicht über das jugendliche Alter von höchstens 80 Tagen hinaus, bevor sie getötet werden. Der Tod holt auch Legehennen viel zu früh ein: Sie werden häufig nach wenig mehr als 12 Monaten getötet, obwohl Hühner eigentlich 8 – 15 Jahre alt würden.
Eine konsequente Umsetzung des Refine-Prinzips kann diesen Trend unterbinden. Im Fokus stehen dabei Massnahmen zur schrittweisen Verminderung des physischen und psychischen Leids der Tiere in der Landwirtschaft.